In der Geschichte der europäischen Zivilisation hat es nicht viele Persönlichkeiten wie Jan Szczepanik gegeben. Er war der „Renaissance-Mensch” der jüngsten Zeit. Seine Erfindungen waren die Vorläufer der Farbfotografie und des Fernsehens. Einige von ihnen, wie die kugelsichere Weste, haben Leben gerettet.
Geboren am 13. Juni 1872, begann Jan Szczepanik, der oft als „polnischer Edison” bezeichnet wird, seinen Lebensweg in bescheidenen Verhältnissen. Seine Mutter, Marianna Szczepanik, starb unerwartet kurz nach seiner Geburt und ließ ihn in der Obhut seiner Tante Salomea Gradowiczowa und ihres Mannes Wawrzyniec, eines Angestellten des Landratsamtes von Krosno, zurück. Er lebte in den polnischen Gebieten, die damals von Österreich annektiert wurden. Es sei daran erinnert, dass die drei Nachbarmächte (Russland, Preußen und Österreich) im 18. Jahrhundert die polnischen Gebiete gewaltsam an sich rissen, was zur Auflösung der polnischen Staatlichkeit führte. 1918 erlangten die Polen ihre Freiheit wieder.
Unterbrochene Ausbildung
Schon in jungen Jahren zeigte Szczepanik einen scharfen Verstand und eine große Neugier auf die Welt um ihn herum. Er begann seine Ausbildung an einer Schule in Krosno und setzte sie dann an einem Gymnasium in Jasło fort. Obwohl er in Mathematik und Naturwissenschaften sehr gute Leistungen erbrachte, hatte er Schwierigkeiten mit den klassischen Sprachen, was schließlich dazu führte, dass er das Gymnasium im vierten Jahr seiner Ausbildung abbrach. Aufgrund seines Potenzials erlaubte ihm die Schulleitung jedoch, die Schule zu wechseln.
Szczepanik zog nach Krakau, wo er 1892 das Lehrerseminar absolvierte. Als Lehrer arbeitete er an Schulen in Potok, Lubatówka und Korczyna, wo er sich einen Ruf als Innovator erwarb, da er die Schüler oft in praktische Projekte und Experimente einbezog, anstatt den traditionellen Unterricht zu gestalten. In dieser Zeit begann er, sich für die Farbfotografie und Innovationen in der Weberei zu interessieren.
Die Lehrtätigkeit war nur ein Einstieg
1896 beschloss Szczepanik, den Lehrerberuf aufzugeben und nach Krakau zu ziehen, wo er sich in einer Mietwohnung auf technische Experimente konzentrierte.
In Krakau begann er mit Unterstützung des örtlichen Webervereins, in einem Fotogeschäft zu arbeiten. Dort lernte er Ludwik Kleinberg kennen, der seine außergewöhnlichen Fähigkeiten bemerkte und sein Mäzen wurde. 1898 ging Szczepanik nach Wien, wo er zusammen mit Kleinberg und Franz Habrich die Firma Société des Inventions Jan Szczepanik & Cie gründete, die es ihm ermöglichte, sich ganz seiner Erfindungstätigkeit zu widmen.
In der österreichisch-ungarischen Hauptstadt erlangte Szczepanik schnell Anerkennung, und seine Innovationen auf dem Gebiet der Weberei, der Optik und der Elektronik fanden in der Presse Beachtung. Zwischen 1896 und 1906 meldete er zahlreiche Patente für die Textilindustrie an, darunter ein Webesystem mit automatischer Schablonenherstellung, neuartige Verfahren für Jacquardmaschinen und Techniken zur Herstellung mehrfarbiger Dekorationsstoffe. Seine Erfindung des lichtempfindlichen Gewebes, das bei der Herstellung von Wandteppichen nach der Fotomethode verwendet wurde, revolutionierte diesen Markt.
Erfindungen von Szczepanik retten Leben
Szczepanik war auch der Erfinder der kugelsicheren Weste, des so genannten „Szczepanik-Panzers”, der 1901 dem spanischen König Alfons XIII. das Leben rettete. Aus Dankbarkeit für diese Leistung verlieh ihm der König den Orden de Isabel la Católica. Szczepanik fand auch die Anerkennung des russischen Zaren Nikolaus II., der ihn nach Sankt Petersburg einlud und ihm eine goldene Uhr mit Brillanten und eine Brosche für seine Verlobte schenkte.
Auch seine Arbeit am Telektroskop, einem Vorläufer des Fernsehens, fand internationale Anerkennung. Die erste öffentliche Vorführung des Geräts fand in Wien statt, und seine verbesserte Version, das Telephot, wurde auf der Weltausstellung 1900 in Paris präsentiert.
Szczepanik war ein vielseitiger Erfinder, dessen Arbeit die Entwicklung von Farbfotografie, Farbfilm, Fernsehen, Tonfilm und Telekommunikation beeinflusste. Seine Erfindungen, wie der Fotoskulptor und der automatischer Zugregler, zeugen von der außergewöhnlichen Kreativität und dem technischen Geschick dieses Experimentators. Im Jahr 1899 entwickelte er den kleinformatigen Farbfilm, dessen Entdeckungen später von Kodak und Agfa genutzt wurden.
Erfinderische Arbeit und die Armee
Die Jahre 1898-1902 waren für Szczepanik eine Zeit intensiver Arbeit und Kreativität. Sein Atelier in Wien wurde zum Treffpunkt zahlreicher europäischer Industrieller, und seine Leistungen wurden sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der literarischen Welt umfassend kommentiert und gewürdigt, wie die Besuche von Gabriela Zapolska und Mark Twain in seinem Werkstatt belegen. Die Leistungen des polnischen Erfinders wurden in der ganzen Welt anerkannt, auch in den Vereinigten Staaten und in China.
Trotz seines Ruhmes und seiner Anerkennung wurde Jan Szczepanik 1901 von den Österreichern zum Militärdienst einberufen, der ihn in die Festung Przemyśl führte. Hier, in einem wichtigen strategischen Punkt für die Habsburger Monarchie, hatte Szczepanik die Möglichkeit, an Innovationen wie dem Funktelefon und dem automatischen Gewehr zu arbeiten. Sein Aufenthalt in Przemyśl beschränkte sich jedoch nicht auf die wissenschaftliche Arbeit, sondern er nahm aktiv am Leben der Stadt teil, wo er auch seine spätere Frau Wanda Dzikowska kennenlernte. Im Jahr 1902 heiratete das Paar in Tarnów.
Zwischen Tarnów und Berlin
Nach der Hochzeit zog Szczepanik nach Tarnów und wohnte im Haus seines Schwiegervaters in der Szopena-Straße 11. Dort nahm er trotz früherer finanzieller Probleme und des Konkurses seiner Firma mit Unterstützung seiner Familie seine erfinderische Tätigkeit wieder auf und konzentrierte sich auf die Entwicklung der Farbfotografie.
Szczepanik war ein begeisterter Liebhaber der Wissenschaft und besaß eine umfangreiche Bibliothek. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Bergwanderer. Trotz seiner Leistungen blieb er ein bescheidener Mensch und schenkte den äußeren Zeichen des Reichtums wenig Beachtung.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 teilte Szczepanik seine Zeit zwischen Tarnów und Berlin auf, wo er seine Forschungen fortsetzte. Leider wurde sein Leben durch seinen frühen Krebstod im Jahr 1926 verkürzt. Er hinterließ ein beeindruckendes technisches Erbe, das durch zahlreiche Patente bestätigt wird.