Polonezköy (türkisch für „polnisches Dorf”) ist ein Dorf in der Nähe von Istanbul, das auch als Adampol bekannt ist. Es wurde im 19. Jahrhundert von polnischen Auswanderern gegründet. Das Amt des Bürgermeisters wird traditionell von einer Person polnischer Abstammung bekleidet.
Im Jahr 1841 kam Michał Czajkowski, ein polnischer Unabhängigkeitsaktivist, in die Türkei. Sein Heimatland gab es damals nicht auf den Karten Europas. Im 18. Jahrhundert teilten die Großmächte Russland, Preußen und Österreich Polen unter sich auf und hielten die polnische Gesellschaft 123 Jahre lang gefangen. Czajkowski war ein Vertreter des politischen Lagers „Hotel Lambert”, das im Exil gegründet wurde, nachdem die Polen den antirussischen Unabhängigkeitsaufstand — den Novemberaufstand (1830-1831) — verloren hatten.
Der Pole kam in die Türkei, um sich dort dem russischen Einfluss zu widersetzen. Er hatte nämlich bemerkt, dass in diesem Land viele Teilnehmer des Novemberaufstands lebten, die aus Angst vor russischer Verfolgung an den Bosporus geflohen waren. Fürst Adam Czartoryski, der Leiter des politischen Lagers „Hotel Lambert”, beauftragte ihn daher, Land zu kaufen und eine Siedlung zu gründen, in der polnische Patrioten leben konnten. Am 19. März 1842 wurde die erste Hütte des Dorfes, das zu Ehren des Fürsten Czartoryski Adampol genannt wurde, eingeweiht.
Auch andere, mit den Polen verwandte Völker, die von den Russen verfolgt wurden, fanden in dem Dorf Zuflucht. Es gab dort eine polnische Schule, und man hat hauptsächlich Polnisch gesprochen.
Nachdem Polen 1918 seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, kehrten einige Einwohner von Adampol in die freie Heimat zurück. Im Jahr 1937 besuchte sogar Mustafa Kemal Atatürk, der „Vater der Türken”, der erste Präsident und einer der Gründer der Republik Türkei, den Ort.
Der von Deutschland und der Sowjetunion entfesselte Zweite Weltkrieg brachte für Adampol keine leichten Zeiten. Obwohl die Türkei ein neutraler Staat war, wollten die türkischen Behörden die deutschen Nazis nicht verärgern und führten daher bestimmte Beschränkungen für polnische Einwanderer ein, die auf türkischem Boden lebten. Unter anderem war es den Polen verboten, den Jahrestag der Verabschiedung der Verfassung vom 3. Mai zu feiern, und polnische Fahnen wurden beschlagnahmt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Kontakte zwischen Adampol und seinem Heimatland immer schwächer, da das kommunistische Polen kein Interesse an der Aufrechterhaltung der Beziehungen zum polnischen Dorf in der Türkei hatte.
Heute ist Adampol eine Art Oase der altpolnischen Kultur. Die Menschen polnischer Herkunft sind derzeit in dem Dorf in der Minderheit (1/3 der Einwohner). Sie sind die Nachkommen derjenigen, die für die polnische Unabhängigkeit gekämpft und ihr Leben riskiert haben. Im Sommer findet in dem Dorf ein Festival der polnischen Kultur statt.