In den 1970er Jahren scherzte man, dass das tatsächliche Alter der Anwältin Aniela Steinsberg das am besten gehütete Geheimnis des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter sei. Wie viele Menschen, die während der deutschen Besatzung im Besitz falscher Dokumente waren, hat sie sich nach dem Krieg um einige Jahre verjüngt.
Sie wurde in Wien in eine Familie von assimilierten Juden geboren. Ihr Vater Józef Berlinerblau war Inhaber der Jutefabrik „Stradom” in Częstochowa. Im Jahr 1920 schloss sie ihr Jurastudium in Warschau ab und heiratete zwei Jahre später Emil Steinsberg, einen angesehenen Rechtsanwalt aus Krakau. Sie war eine der ersten Frauen in Polen, die den Beruf der Juristin ergriffen. Sie gehörte dem Verband Sozialistischer Anwälte an und verteidigte häufig Arbeiter, die sich an politischen Unruhen beteiligt hatten.
Während des Zweiten Weltkriegs versteckte sie sich mit ihrem Mann in Warschau. Sie war Mitglied der konspirativen Polnischen Sozialistischen Partei Freiheit-Gleichheit-Unabhängigkeit und beteiligte sich an den Aktivitäten des Rates für die Unterstützung der Juden „Żegota”. Im Jahr 1943 verlor sie ihren Mann, der zufällig in eine Razzia auf der Straße geriet.
Nach dem Krieg gehörte sie der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza) an, aus der sie 1953 ausgeschlossen wurde. Danach kehrte sie zum Beruf der Anwältin zurück. Im Jahr 1955 nahm sie am Prozess gegen Kazimierz Moczarski teil, der aufgrund falscher Anschuldigungen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Es war der erste Prozess im kommunistisch regierten Polen, in dem Anwälte Beamten des Sicherheitsministeriums beschuldigten, Geständnisse durch Folter erzwungen zu haben. Es folgten weitere Fälle: die Rehabilitierung von Soldaten der Heimatarmee, Prozesse von Personen, die in Emigrantenpublikationen veröffentlichten.
Im Jahr 1968 verpflichtete sie sich, Studenten wegen ihrer Teilnahme an den Märzstreiks und -demonstrationen kostenlos zu verteidigen, wofür sie suspendiert und 1970 von der Anwaltsliste gestrichen wurde. Sie war eine der Initiatorinnen des Briefes 59 gegen die Aufnahme der führenden Rolle der PZPR und des immerwährenden Bündnisses mit der Sowjetunion in die Verfassung der Volksrepublik Polen. Im Jahr 1976 war sie Mitbegründerin des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników, KOR). Sie bot Rechtsberatung an, verteilte Flugblätter mit der KOR-Erklärung und fungierte als Vermittlerin zwischen den Behörden und inhaftierten Aktivisten, die zur Ausreise aufgefordert wurden.
A.Steinsberg war auch als Übersetzerin tätig. Sie übersetzte z. B. zwei Bücher von Claude Lévi-Strauss: „Traurige Tropen” und „Totemismus” sowie andere französische wissenschaftliche Werke. Sie starb am 22. Dezember 1988.