Sie kopierten die berühmtesten Maler wie Tizian, Rubens, Rembrandt oder Murillo. So funktionierte die Fabrik der jüdischen Künstler im Ghetto Białystok während des Zweiten Weltkriegs. Die Deutschen brachten die Bilder alle paar Tage in Lastwagen aus dem Ghetto. Zuerst in den Palast in Dojlidy, dann nach Deutschland. Von den zwanzig begabtesten Juden überlebte nur einer — Izaak Celnikier. Die Geschichte der Kopisten aus dem Ghetto Białystok wird nun von der Sleńdziński-Galerie auf ihrer neuen Website vorgestellt.
Nach dem Ausbruch des Krieges, im September 1939, trafen zahlreiche Flüchtlinge aus ganz Polen in Białystok ein. In der Stadt, die kurz vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 100.000 Einwohner hatte, lebten plötzlich mehr als 200.000 Menschen. Darunter befanden sich 140.000 Juden, darunter viele Künstler: die Zwillingsbrüder Efraim und Menasze Seidenbeutl, Natalia Landau, Stanisława Centnerszwer, Adolf Behrman, Chaim Tyber, Abraham Hirsz Frydman und Tobiasz Haber und viele andere, darunter der 16-jährige Izaak Celnikier, ein später weltberühmter Maler und Grafiker, der den größten Teil seines Werks seinen Erfahrungen im Ghetto Białystok widmete. Eine dieser Grafiken illustriert unseren Text.
„Es klingt wie eine Filmgeschichte, denn es ist eine außergewöhnliche Sache, die zeigt, dass es in der tragischen Welt, der Welt des Ghettos, der Welt der Vernichtung, des Holocausts, eine kleine Enklave gab, eine Kopistenwerkstatt, in der Menschen lebten und mit Leidenschaft schufen”, erklärt Monika Marciniak von der Sleńdziński-Galerie bei dem lokalen Fernsehsender.
Nun hat die Galerie eine spezielle Plattform Kopiści/The Copyists (https://kopisci.org.pl/en/) in polnischer und englischer Sprache ins Internet gestellt, die das Ergebnis langjähriger Recherchen zur Geschichte der geheimen Kopierwerkstatt des Ghettos ist.
Adrian Andrzejewski