In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 verhängten die kommunistischen Behörden in Polen das Kriegsrecht. Es blieb bis zum 31. Dezember 1982 in Kraft, wurde dann ausgesetzt und schließlich am 22. Juli 1983 aufgehoben. Während dieser Zeit wurden etwa 100 Menschen ermordet. Die brutale Niederschlagung des Streiks im Bergwerk „Wujek” in Katowice durch den Einsatz von Schusswaffen durch die Miliz, bei der neun streikende Bergleute auf der Stelle oder an ihren Verletzungen starben, ist zu einem symbolischen Ereignis geworden.
Die Verhängung des Kriegsrechts in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 in Polen bedeutete, dass die kommunistischen Behörden in Polen unter der Führung von General Wojciech Jaruzelski, dem Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), der auch Ministerpräsident und Minister für Nationale Verteidigung war, beschlossen, die als „Karneval der Solidarność” bekannte Zeit brutal zu unterbrechen. Dieser Zeitraum, der etwas mehr als ein Jahr dauerte, war ein besonderes Phänomen in den von der Sowjetunion beherrschten und unterworfenen Ländern. Die nach dem 31. August 1980 gegründete „Solidarność” war eine Gewerkschaft, die sich einer echten und massiven Unterstützung durch die Bevölkerung erfreute. Ihr gehörten 10 Millionen Menschen an.
Seit den Anfängen der „Solidarność” bereiteten die kommunistischen Behörden die gewaltsame Unterdrückung dieser sozialen Bewegung vor. Die so genannten „Machtorganen”, d. h. das Verteidigungs- und das Innenministerium, sollten bei dieser Operation eine Schlüsselrolle spielen.
Beamte des Sicherheitsdienstes (SB) — der kommunistischen Geheimpolizei — bereiteten gemeinsam mit dem Militär wichtige Dokumente zur Einführung des Kriegsrechts vor. Vertreter des sowjetischen KGB und der sowjetischen Armee überwachten diese Arbeit ebenfalls. Die Vorbereitungen traten im Herbst 1981 in ihre letzte Phase, als Ministerpräsident Wojciech Jaruzelski das Amt des Ersten Sekretärs der PZPR übernahm und zuvor, im Juli 1981, seinen Vertrauten, General Czesław Kiszczak, bis vor kurzem Chef des Militärgeheimdienstes, zum Innenminister ernannte. Zu diesem Zeitpunkt war der Großteil der Rechtsakte zur Einführung des Kriegsrechts bereits fertig.
Die Verhängung des Kriegsrechts wurde am Samstagnachmittag des 12. Dezember 1981 beschlossen, und in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 begann die Internierung von Soolidarność-Aktivisten. Insgesamt wurden bis zum Ende des Kriegsrechts über 10 Tausend Menschen interniert.
Im ganzen Land wurden Beschränkungen in Form eines Versammlungs- und Streikverbots eingeführt, die Tätigkeit der Gewerkschaften wurde eingestellt, die Bewegungsfreiheit in der Nacht und zwischen den Städten wurde eingeschränkt. Die Beamten des SB blockierten die Möglichkeit, Telefongespräche zu führen, und kontrollierten die gesamte Postkorrespondenz. Militäreinheiten wurden aus ihren Kasernen auf die Straßen der polnischen Städte gebracht, und Militärkommissare wurden an die Arbeitsplätze geschickt.
Nach der Verhängung des Kriegsrechts brachen in vielen Betrieben Besetzungsstreiks aus. Die ersten begannen bereits am Sonntag, dem 13. Dezember 1981, und verstärkten sich am nächsten Tag, dem 14. Dezember. Nach den vom SB erhobenen Daten sollten mindestens mehrere hundert Betriebe daran teilnehmen. Die Demonstranten wählten größtenteils Streikkomitees, versuchten aber auch, das Eigentum der Betriebe zu sichern. Vielerorts wurde der Widerstand der Streikenden gewaltsam gebrochen. Dazu setzten die kommunistischen Behörden in der Regel die Motorisierten Reserven der Bürgermiliz (Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatelskiej, ZOMO), Armeeeinheiten, die nicht selten schweres Gerät in Form von gepanzerten Mannschaftswagen, aber auch Panzern nutzten, ein. In vielen Fällen setzten die Ordnungskräfte mit Billigung von Minister Czesław Kiszczak Schusswaffen mit scharfer Munition ein. Das erste Mal geschah dies bei der Niederschlagung eines Streiks in der Zeche „Lipcowy Manifest” (dem heutigen Bergwerk „Zofiówka”) in Jastrzębie-Zdrój. Dort wurden am 15. Dezember 1981 vier streikende Bergleute von den Offizieren der Sonderpolizeieinheit ZOMO durch Schüsse verwundet.
In dem Steinkohlenbergwerk „Wujek” in Katowice streikten dagegen seit dem 14. Dezember rund 3500 Menschen. Das Werksgelände wurde am 16. Dezember von einer aus Armee und Polizei bestehenden Sicherheitstruppe umstellt. Die Streikenden weigerten sich, dem Militär zu erlauben, den Protest zu beenden. Die Bergarbeiter wurden mit Gaskanistern beworfen. Trotz der Kälte von mehreren Grad wurden auch Wasserwerfer eingesetzt. Gegen 11 Uhr wurde der Zaun des Bergwerks mit Hilfe von Panzern durchbrochen, und während der Kämpfe wurde eine Sondereinheit der ZOMO eingesetzt, dessen Offiziere scharfe Munition verwendeten. Infolgedessen starben sechs Bergleute an Ort und Stelle. Drei weitere starben in den Krankenhäusern. Weitere dreiundzwanzig wurden durch Kugeln verwundet. Weniger als einen Monat später, am 20. Januar 1982, stellte die kommunistische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in diesem Fall ein, da sie zu dem Schluss kam, dass die ZOMO-Offiziere ihre Waffen im Notstand eingesetzt hatten.
Die ermordeten Bergleute aus dem Bergwerk „Wujek” waren nicht die einzigen Todesopfer des Kriegsrechts. Demonstranten wurden bei friedlichen Demonstrationen durch Kugeln getötet und von Beamten des Sicherheitsapparats tödlich verprügelt. Man geht davon aus, dass es fast hundert von ihnen waren. Das jüngste Opfer des Kriegsrechts war Emil Barchański, der Anfang März 1982 beim Druck illegaler Publikationen verhaftet wurde. Er war auch Mitglied einer in Warschau tätigen antikommunistischen Jugendorganisation. Während des Prozesses sagte er aus, dass seine Erklärungen während der Untersuchung durch Schläge erzwungen worden waren und dass er die Beamten, die ihn schlugen, erkennen konnte. Weniger als drei Wochen später, am 3. Juni 1982, verschwand Barchański, und zwei Tage später wurde seine Leiche aus der Weichsel gefischt.