In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember verhängten die kommunistischen Behörden in Polen das Kriegsrecht. Während dieser Zeit wurden mehr als 10 000 Menschen interniert, die Zensur eingeführt, eine Ausgangssperre verhängt und Tausende von Menschen wegen oppositioneller Aktivitäten vor Gericht verurteilt. Ein Symbol des Widerstands gegen die Behörden war der Streik in derm Steinkohlenbergwerk „Wujek” in Katowice, wo Milizionäre zur Befriedung des Streiks Schusswaffen einsetzten, was zum Tod von neun Bergleuten führte.
Die Verhängung des Kriegsrechts in Polen in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 beendete auf brutale Weise eine Periode in der Geschichte der Volksrepublik Polen, die als „Karneval der Solidarität” bekannt wurde. Sie begann im Sommer 1980, als sich die kommunistischen Behörden in Polen nach den Streiks im Juli 1980 in der Region Lublin und im August desselben Jahres an der Küste bereit erklärten, den Demonstranten erhebliche Zugeständnisse zu machen. Infolgedessen wurde die Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft „Solidarność” gegründet.
Die Zustimmung der kommunistischen Behörden zu unabhängigen Gewerkschaftsaktivitäten war ein rein taktischer Schachzug, da sie damals nicht in der Lage waren, die Proteste der Arbeiter gewaltsam niederzuschlagen.
Indem sie den Anschein erweckten, die Aktivitäten der „Solidarność” zu billigen, begannen die kommunistischen Entscheidungsträger, Maßnahmen zu ergreifen, um den vorherigen Status quo wiederherzustellen.
Im Zusammenhang mit den Protesten Mitte August 1980 wurde im Innenministerium ein Stab für die Operation „Sommer 80” eingerichtet, der seine Tätigkeit trotz der Beendigung der Streiks fortsetzte. Offiziere der kommunistischen Geheimpolizei, des Sicherheitsdienstes (SB), spielten zusammen mit Vertretern des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MON) eine wichtige Rolle bei der Arbeit des Komitees zur Landesverteidigung (Komitet Obrony Kraju, KOK), das Pläne für die Verhängung des Kriegsrechts vorbereitete.
Ende März 1981 waren die Arbeiten an den grundlegenden Planungsdokumenten in diesem Bereich abgeschlossen („Die Leitgedanke der Verhängung des Kriegsrechts auf dem Gebiet der Volksrepublik Polen aus Gründen der nationalen Sicherheit”, „Zentraler Aktionsplan für die politischen Machtorgane und die staatliche Verwaltung für den Fall der Notwendigkeit der Einführung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen”, „Rahmenaktionsplan für die Streitkräfte für den Fall der Verhängung des Kriegsrechts”). Zur gleichen Zeit hielten sich sowjetische KGB- und Militärfunktionäre in Polen auf, deren Aufgabe nicht nur darin bestand, die polnischen Genossen zu unterstützen, sondern auch zu überwachen, dass die Vorbereitungen für die Einführung des Kriegsrechts abgeschlossen werden.
Zu dieser Zeit wurde das Amt des polnischen Ministerpräsidenten von General Wojciech Jaruzelski übernommen, der in seinem parlamentarischen Exposé vorschlug, dass die „Solidarność” die Auseinandersetzungen beenden sollte, und zu neunzig friedlichen Tagen aufrief. Gleichzeitig wurden in dieser Zeit die Vorbereitungen für die Verhängung des Kriegsrechts nicht nur fortgesetzt, sondern sogar intensiviert. Im Juli 1981 wurde Jaruzelskis Vertrauter, General Czesław Kiszczak, bis vor kurzem Chef des militärischen Sicherheitsdienstes, Innenminister. Anfang September 1981 waren die meisten Gesetze zur Verhängung des Kriegsrechts bereits vorbereitet.
Um die Vorbereitungen streng geheim zu halten, wurde beschlossen, 25 000 Plakate, die über die Verhängung des Kriegsrechts informieren sollten, in der Vervielfältigungsanstalt des KGB in Moskau zu drucken. Mitte Oktober 1981 kamen die Sowjets zu dem Schluss, dass General Jaruzelski ein Garant für die Herstellung der „Ordnung” in Polen war, und erklärten sich damit einverstanden, dass er Erster Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR) wurde. Die Vorbereitungen für die Verhängung des Kriegsrechts traten damit in eine entscheidende Phase.
Die endgültige Entscheidung über die Verhängung des Kriegsrechts auf dem Gebiet der Volksrepublik Polen wurde kurz nach Mittag des 12. Dezember 1981 getroffen. Es wurden Befehle an die Polizeipräsidien der Woiwodschaften und an die Kommandos der einzelnen Militäreinheiten gesandt, um die Umsetzung der zuvor übermittelten Pläne anzuordnen. In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 begann die Internierung von Solidarność-Aktivisten (insgesamt etwa 10 000 Personen während der Zeit des Kriegsrechts) im Rahmen der Aktion „Jodła”.
In einer im Fernsehen übertragenen Rede verkündete General Jaruzelski die Verhängung des Kriegsrechts durch den Staatsrat der Volksrepublik Polen (PRL). Dies war ein Verstoß gegen das damalige Recht, denn nach den Bestimmungen der Verfassung der Volksrepublik Polen konnte der Staatsrat nur außerhalb der Sitzungen des Sejm Dekrete erlassen, was hier nicht der Fall war.
Der Gesellschaft wurden Restriktionen auferlegt: Unter anderem wurden Streiks und Versammlungen verboten, die Gewerkschaften suspendiert, einige Bereiche der nationalen Wirtschaft militarisiert und Ausgangssperren eingeführt. Die ersten Streiks begannen bereits am Sonntag, dem 13. Dezember 1981, doch die eigentliche Streikwelle breitete sich erst am folgenden Tag aus. Am 14. Dezember befanden sich bereits mehrere hundert Fabriken im ganzen Land im Streik. Die kommunistischen Behörden beschlossen, den Widerstand mit Gewalt zu brechen, und General Czesław Kiszczak erlaubte sogar den Einsatz von Schusswaffen. Die tragischsten Ereignisse ereigneten sich in Katowice, wo bei der Befriedung des Streiks durch Armee und Polizei im Bergwerk „Wujek” sechs Bergleute getötet wurden und drei weitere ihren Verletzungen erlagen.
General Jaruzelski wies insbesondere nach 1989 wiederholt darauf hin, dass angesichts der drohenden sowjetischen Intervention das Kriegsrecht das „kleinere Übel” gewesen sei. Aus den heute verfügbaren Dokumenten, einschließlich sowjetischer Dokumente, geht hervor, dass die Sowjetunion im Winter 1981 keine derartige Intervention in Polen geplant hatte. Andererseits ist bekannt, dass General Jaruzelski am 11. Dezember in einem Gespräch mit Marschall Wiktor Kulikow, dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte des Warschauer Paktes, um „militärische Hilfe” bat, was jedoch abgelehnt wurde.
Das Kriegsrecht wurde am 31. Dezember 1982 ausgesetzt und am 22. Juli 1983 aufgehoben.