Er kämpfte in Kriegen für Polen, führte neue Musikgenres ein und schuf Lieder, die die Polen bis heute singen. Das Talent von Henry Vars wurde auch in Hollywood erkannt.
Henry Vars (eigentlich Henryk Warszawski) wurde 1902 in Warschau geboren. Zu dieser Zeit lag die polnische Hauptstadt im Russischen Reich, innerhalb der Grenzen des von der russischen Teilungsmacht errichteten Königreichs Polen. Der spätere herausragende polnische Komponist stammte aus einer musikalisch begabten jüdischen Familie.
Im Jahr 1906 ging er mit seinen Eltern nach Frankreich, von wo er 1914 zurückkehrte. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, im Jahr 1918, hat Polen seine Unabhängigkeit wiedererlangt. Leider wurde der gerade erst wiederbelebte polnische Staat von einer Bedrohung aus dem Osten überschattet — dem Krieg mit dem bolschewistischen Russland. Henry Vars meldete sich freiwillig zur Armee, um sein Heimatland zu verteidigen.
Wegbereiter des Jazz in Polen
Nach dem siegreichen Krieg nahm er ein Jura- und Kunststudium auf. Der Dirigent, Komponist und Geiger Emil Młynarski wurde auf sein Talent aufmerksam. Er schickte ihn unter die Fittiche von Professor Roman Statkowski. Er hatte viele Erfolge. Sein Herz war jedoch immer dem Jazz zugewandt. Auf seine Initiative hin wurden die ersten Jazzbands in Polen gegründet.
Während seiner Studienzeit spielte er Klavier in Warschauer Kabaretts. Bald wurde er musikalischer Leiter der Plattenfirma „Syrena Rekord”. Er war dort auch als Dirigent tätig. Den größten Ruhm erlangte Wars jedoch durch seine Tätigkeit als Komponist. Der Durchbruch in seiner Karriere gelang ihm mit dem Lied „Zatańczmy tango” (dt. Lass uns Tango tanzen), das von einem polnischen Schauspielerpaar aufgeführt wurde: Stanisława Nowicka und Eugeniusz Bodo. Henry Vars wurde immer mehr bekannt. Die von ihm komponierten Lieder wurden u. a. von Hanka Ordonówna, Mieczysław Fogg und Adolf Dymsza gesungen — den besten Künstlern und Schauspielern des polnischen Vorkriegskinos.
Aber er hat den Jazz nicht vergessen. Zusammen mit Leon Boruński moderierte er die Sendung „Jazz für zwei Klaviere”. Zu dem von ihm gegründeten Jazztrio gehörten der bereits erwähnte Bodo, aber auch Tadeusz Olsza.
Komponist von Filmmusik
Große Berühmtheit erlangte er durch seine Kompositionen für Filme. Die Musik von Henry Vars war in mehr als 50 Filmen der polnischen Vorkriegs-Kinematografie zu hören. Die Polen singen seine Lieder noch heute: auf der Bühne und zu Hause. Dazu gehören Lieder wie: „Tylko we Lwowie” (dt. Nur in Lemberg), „Zimny drań” (dt. Kalter Bastard), „Miłość ci wszystko wybaczy” (dt. Die Liebe wird dir alles verzeihen), „Sex-Appeal”, „Umówiłem się z nią na dziewiątą” (dt. Ich habe mich um neun mit ihr verabredet), „Ach, jak przyjemnie” (dt. Ach, wie schön), „Śpij kochanie” (dt. Schlaf mein Liebling), „Dobranoc oczka zmruż” (dt. Gute Nacht, mach deine Augen zu). Wahrscheinlich ist das einigen nicht bewusst, dass all diese Lieder von Henryk Wars komponiert wurden.
Musik und Krieg
Am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen und löste damit den Zweiten Weltkrieg aus. Henry Vars war schon einmal dem Ruf seines Heimatlandes gefolgt. Wieder einmal stand er in den Reihen der polnischen Armee, um den Feind zurückzuschlagen. Leider wurde seine Einheit nach einigen Tagen von den Deutschen besiegt und er wurde gefangen genommen. Die Gefahr wurde durch die Tatsache, dass Vars jüdischer Herkunft war, noch verstärkt. Er beschloss deswegen, zu fliehen, was ihm gelungen ist. Doch schon bald geriet er in zweite Gefangenschaft, diesmal sowjetische.
Am 17. September 1939 marschierten sowjetische Truppen in Polen ein. Dies war das Ergebnis der im August 1939 zwischen Josef Stalin und Adolf Hitler getroffenen Vereinbarungen (Molotow-Ribbentrop-Pakt). Das Abkommen regelte die Aufteilung der mitteleuropäischen Länder zwischen den beiden verbrecherischen totalitären Regimen.
Vars gelang es, Lemberg zu erreichen, wo er die Band „Tea-Jazz” gründete. Er gab Konzerte an verschiedenen Orten des sowjetischen Staates.
Im Juni 1941 überfiel Hitler die Sowjetunion. In dieser neuen Situation fanden polnisch-sowjetische Gespräche statt, die zur Unterzeichnung eines Vertrages führten. In Übereinstimmung damit begann die Aufstellung polnischer Armeeeinheiten auf dem Gebiet der UdSSR, in denen die überwiegende Mehrheit polnische Staatsbürger waren, die mit Gewalt tief in den Sowjetstaat deportiert und verbannt worden waren. Im Jahr 1942 trat Henry Vars in die Reihen dieser Armee ein, die von General Władysław Anders befehligt wurde.
In der Armee gründete er die Band „Polish Parade”. Zusammen mit der Armee hat er die gesamte Kampfroute zurückgelegt. Als die Armee die Sowjetunion verließ, ging sie in den Iran. Dann zogen die Polen nach Westen, nach Palästina. Sie bekämpften die deutschen Nazis in Nordafrika und Italien. Zusammen mit Michał Waszyński drehte Vars einen Film über die Armee von General Anders mit dem Titel „Wielka droga” (dt. Der große Weg). In Italien wurde er mit der Medaille Cavaliere della Croce ausgezeichnet, und seine Künstlergruppe wurde als die beste der Alliierten anerkannt.
Karriere in Hollywood
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Vars demobilisiert. Er ging nach England, träumte aber von einer Karriere in Hollywood. Bereits 1947 fand er sich in Los Angeles wieder, wo er in den ersten Jahren mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Da er und seine Frau keine Arbeit finden konnten, lebte seine Familie an der Armutsgrenze. Er komponierte jedoch weiter und vergaß die Musik nicht.
Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus. In den frühen 1950er Jahren komponierte er die Musik für einen Film unter der Regie von Harry L. Fraser, „Chained for Life”. Dies brachte ihm Erfolg und seine Karriere nahm Fahrt auf. Der wirkliche Durchbruch gelang ihm jedoch 1955, als er die Musik für die Komödie „Ski Crazy!” unter der Regie von Gordon McLean schrieb.
Seine Musik war in mehr als 30 Fernsehserien und Filmen zu hören, darunter „China Doll”, „Flipper” und „Bonanza”. Seine Lieder wurden von großen Sängern wie Bing Crosby und Jimmy Rogers interpretiert. Er arbeitete auch mit John Wayne bei der Verfilmung von Western zusammen.
In den 1970er Jahren wurde Henryk Wars schwer krank. Nach langer Krankheit starb er am 1. September 1977 in Los Angeles.