Der am 13. Januar 1870 in Trzemeszno geborene Jędrzej Moraczewski war Sozialist, Soldat der Ersten Brigade der Polnischen Legionen und Ministerpräsident der Regierung der Polnischen Republik, der sein ganzes Leben dem Kampf für die Unabhängigkeit und die Erhaltung der souveränen Existenz des polnischen Staates unterordnete.
Er wuchs in einer intellektuellen, patriotischen Familie auf. Sein Vater, Maciej Moraczewski (Wappen Cholewa), ein bekannter Architekt und Bauunternehmer, kämpfte im Januaraufstand unter dem Kommando von Marian Langiewicz. Nach Abschluss des Gymnasiums schrieb er sich am Polytechnischen Universität Lemberg ein, wo er sich in der Studentenorganisation „Bratnia Pomoc” (dt. Bruderhilfe) engagierte und dort eine Selbstbildungs- und Unabhängigkeitsgruppe gründete. In dieser Zeit knüpfte er Kontakte zu Sozialisten. In der Überzeugung, dass Bauern und Arbeiter in den Kampf für die Unabhängigkeit Polens einbezogen werden sollten, trat er der Polnischen Sozialdemokratischen Partei Galiciens (Polska Partia Socjalno-Demokratyczna Galicji) bei. In ihrem Namen wurde er Mitglied des österreichischen Parlaments, wo er sich für die Rechte der Arbeitnehmer und die Bereitstellung von Sozial- und Lebensleistungen für die Ärmsten einsetzte.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war er Mitorganisator von Schützeneinheiten und trat im August 1914 den Polnischen Legionen bei. Als Soldat der Ersten Brigade der Legionen wurde er auf Befehl von Józef Piłsudski Mitglied des Obersten Nationalkomitees, der politischen Vertretung der Polen in Galizien. Nach Piłsudskis Verhaftung und Inhaftierung in der Magdeburger Festung war er einer der Leiter der geheimen Piłsudski-Organisation — Konvent der Organisation A — und fungierte gleichzeitig als politischer Leiter der Polnischen Militärorganisation (Polska Organizacja Wojskowa, POW).
Kurz vor der Wiedererlangung der Unabhängigkeit wurde er Mitglied der Polnischen Liquidationskommission Galiziens und des Teschener Schlesiens, die die Aufgabe hatte, die Rechtsbeziehungen zwischen Galizien und Österreich-Ungarn abzuschaffen. Am 6. November 1918 übernahm er das Amt des Ministers für Post und Kommunikation in der Provisorischen Volksregierung der Polnischen Republik in Lublin und wurde dann auf Anweisung von Piłsudski Ministerpräsident der polnischen Regierung, die unter anderem das allgemeine Wahlrecht für Frauen, den 8-Stunden-Arbeitstag sowie das Streik- und Gewerkschaftsrecht einführte.
In der Zwischenkriegszeit war er als Parlamentarier und Gewerkschafter aktiv. Er starb am 5. August 1944 in seiner Wohnung in Sulejówek, getroffen von einem Artilleriesplitter.