Ein einfacher Stadtreinigungsarbeiter in Lemberg wurde zum Helden. Leopold Socha machte aus seinem Arbeitsplatz, den Abwasserkanälen, einen Zufluchtsort für die Juden.
Während der deutschen Besatzung Polens arbeitete Leopold Socha in der Kläranlage in Lemberg. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Stefan Wróblewski stieg er in die Kanalisation hinab, um deren technischen Zustand zu überprüfen. Doch ein Ereignis im Mai 1943 machte aus einem gewöhnlichen Job eine lebensrettende Mission.
Vom Ghetto in die Abwasserkanäl
Zwei Polen, die die Kanalisation überprüften, stießen plötzlich auf einen Mann. Er war Icchak Chigier, ein Jude. Er wurde von anderen Flüchtlingen begleitet, die im Keller eines Gebäudes im Lemberger Ghetto einen Tunnel gegraben hatten und zu Fuß in die Abwasserkanäle gingen, wo sie sich vor den Deutschen verstecken wollten. Die Besatzer planten, das Ghetto zu liquidieren, was für viele Juden den Tod bedeutete. Die Familie Chigier – seine Frau und zwei kleine Kinder – versteckte sich ebenfalls im Keller des Ghettos. Dem Polen brach das Herz beim Anblick der Flüchtlinge, und er beschloss, ihnen zu helfen.
Über ein Jahr in den Abwasserkanälen
Ende Mai 1943 begannen die Deutschen mit der Liquidierung des Ghettos. Mehr als 20 Personen, darunter die Familie von Icchak Chigier, stiegen vom Keller aus in die Kanalisation hinab. Zunächst nahmen die Polen Geld von den Juden, um ihnen das Lebensnotwendige zu kaufen. Als ihnen jedoch das Geld ausging, versorgten sie die Flüchtlinge weiterhin mit eigenen Mitteln. Die Bedingungen in den Abwasserkanälen waren tragisch. Eine jüdische Frau musste unter solchen Umständen gebären. Das Kind überlebte nicht, und Socha organisierte seine Beerdigung.
Die Juden verbrachten 14 Monate in der Kanalisation. Erst im Juli 1944, als die Deutschen im Zuge der sowjetischen Offensive Lemberg verließen, konnten sie wieder auftauchen.
Das traurige Ende eines Helden
Nach dem Krieg ging Leopold Socha nach Gliwice, wo er eine Bar eröffnete und ein glückliches Leben führen wollte. Leider war dies nicht der Fall. Als er im Mai 1946 einen sowjetischen Lastwagen auf seine Tochter zurasen sah, eilte er ihr zu Hilfe. Der Lastwagen fuhr ihn an und der Held, der Juden rettete, starb.
Am 23. Mai 1978 verlieh ihm das Institut Yad Vashem posthum die Medaille „Gerechter unter den Völkern”.
Im Jahr 2011 wurde der Film „In Darkness” gedreht, der auf der Geschichte von Leopold Socha basiert.