Während des Zweiten Weltkriegs wussten die Alliierten, dass die Deutschen einen massiven Völkermord an den Juden verübten. Informationen darüber wurden ihnen unter anderem von einem Polen, Jan Karski, übermittelt, was jedoch keine Reaktion der alliierten Länder zur Folge hatte.
Jan Karski (eigentlich Jan Romuald Kozielewski) arbeitete seit Januar 1939 im polnischen Außenministerium. Als Deutschland am 1. September 1939 in Polen einmarschierte und den Zweiten Weltkrieg auslöste, zog er seine Uniform an, griff zum Gewehr und verteidigte seine Heimat. Er kämpfte in der polnischen Armee, bis er in die sowjetische Gefangenschaft gelangte. Dieses Land war mit Nazi-Deutschland verbündet und griff Polen am 17. September 1939 an. Dank einem Trick gelang Karski jedoch die Flucht und er wurde in den Strukturen des polnischen Untergrundstaates aktiv. Er wurde ein Kurier.
Er schnitt sich die Pulsadern auf, um den Verrat von Informationen zu verhindern
Die Aufgabe der Kuriere bestand darin, Informationen zwischen der polnischen Exilregierung in London und den im besetzten Land kämpfenden Polen zu übermitteln. Polen hat nämlich, als sie vom Dritten Reich und der Sowjetunion besetzt wurde, eine Exilregierung gebildet, die Befehle an die im besetzten Land kämpfenden Polen weitergab. Diese wiederum schufen den polnischen Untergrundstaat mit politischer Vertretung und einer großen Armee.
Bei einer seiner Kurierfahrten wurde Karski von der deutschen Geheimpolizei Gestapo erwischt. Aus Angst, dass er der Folter nicht standhalten und alle Informationen preisgeben könnte, schnitt er sich beide Adern auf. Die Blutung wurde gestoppt und er wurde ins Krankenhaus gebracht. Von dort wurde er von polnischen Verschwörern gerettet. Jan nahm seine Tätigkeit als Kurier wieder auf.
Getarnt als Wachmann
Jan Karski betrat das Warschauer Ghetto zweimal. Dort drängten die Deutschen die Juden unter unmenschlichen Bedingungen zusammen, wo Krankheit, Hunger und Tod herrschten. Außerdem gelang es ihm, in der Uniform eines ukrainischen Wachmanns einer SS-Unterstützungseinheit in ein deutsches Judenlager einzudringen. Dies war das Transit-Ghetto in Izbica in der Region Lublin. Er sah mit eigenen Augen, wie unmenschlich die Deutschen mit den Juden umgingen. Die Welt musste von dieser Tragödie erfahren.
Drei Versionen des Berichts
So schrieb Jan Karski einen Bericht, in dem er festhielt, wie die Deutschen den Völkermord an den Juden durchführten. Es wurden drei Versionen des Berichts erstellt. Der letzte wurde 1942 geschrieben, ins Englische übersetzt und an die Führer der alliierten Länder geliefert. In seinem Bericht beschrieb Karski auch das Funktionieren des polnischen Untergrundstaates, der wegen seiner umfassenden Struktur in Europa einzigartig war.
Um die Alliierten zu überzeugen
Karski wurde von der polnischen Exilregierung in die USA geschickt. Dort traf er sich am 28. Juli 1943 mit US-Präsident Franklin Delano Roosevelt. Er übergab den Alliierten sein Bericht und schlug Maßnahmen vor, um dem Holocaust entgegenzuwirken: den Deutschen ein Ultimatum zu stellen, dass deutsche Städte bombardiert würden, falls der Massenmord an den Juden fortgesetzt würde. Er wies auch auf eine andere Lösung hin: die Bombardierung von Eisenbahnlinien, die zu deutschen Konzentrationslagern führen. Gleichzeitig sollte den Juden, die sich vor ihrer Ermordung schützen wollten, Hilfe in Form von Geld, Dokumenten und Waffen gewährt werden. Die Antwort des amerikanischen Präsidenten war äußerst überraschend: „Wir werden nach dem Krieg mit den Deutschen abrechnen. Herr Karski, bitte korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber ist Polen ein Agrarland? Braucht ihr keine Pferde, um euer Land zu bestellen?“.
Auch nach dem Scheitern seines Besuchs bei Roosevelt gab Karski nicht auf, die Wahrheit über den Holocaust zu erzählen. Er wandte sich an viele berühmte und einflussreiche Persönlichkeiten in den USA, darunter General William Donovan und Außenminister Cordell Hull. Er traf sich nicht nur mit Politikern, sondern auch mit Künstlern, Journalisten, Geistlichen, Schriftstellern und Filmemachern aus Hollywood. Er wählte die wichtigsten Passagen aus dem Bericht aus, lernte sie auswendig und sprach 18 Minuten lang über den Bericht, um seine Zuhörer nicht zu langweilen. Alles umsonst. Sie wollten ihm nicht glauben, und einige dachten, es sei Teil der polnischen Propaganda.
Ein Bericht für alle
Während des Krieges wurde ein erfolgloser Versuch unternommen, Karskis Berichte zu verfilmen. Es entstand auch ein Buch. Im November 1944 wurde das Buch „Story of a Secret State” von Karski veröffentlicht. Die Veröffentlichung wurde sehr populär. Viele US-Bürger erfuhren dadurch, dass es den polnischen Untergrundstaat und die Heimatarmee gab und wie Polen und Juden unter dem deutschen Terror im besetzten Polen litten.
Nach dem Krieg
Jan Karski ließ sich nach dem Krieg in den USA nieder und begann an der Georgetown University in Washington zu arbeiten. Polen ehrte ihn wiederholt für seine heldenhaften Taten während des Zweiten Weltkriegs. Auch Israel hat ihn nicht vergessen. Im Jahr 1982 verlieh ihm das Institut Yad Vashem die Medaille „Gerechter unter den Völkern”. Im Jahr 1998 wurde er sogar für den Friedensnobelpreis nominiert.
Karski starb am 13. Juli 2000 in Washington. Er wurde in der US-Hauptstadt auf dem Mount Olivet Friedhof beigesetzt. An der Beerdigung nahmen die damaligen Präsidenten von Polen und den USA teil: Aleksander Kwaśniewski und Bill Clinton.