Das Jüdische Historische Institut zeigt eine neue Sonderausstellung mit dem Titel „Die Tanzenden 1944. Mieczysław Wejman”. Die Organisatoren präsentieren eine einzigartige Serie von Grafiken des Künstlers, der Zeuge der Vernichtung der Juden im Warschauer Ghetto war. Die Grafiken entstanden um die Jahreswende 1943/1944, als sich Wejman vor den Deutschen versteckte.
Jahrelang wurden „Tańczący” (dt. Die Tanzenden) als universelle Geschichte der Kriegsapokalypse interpretiert, aber eine genauere Analyse, die den einzigartigen Kontext, in dem die Werke entstanden sind, offenbart, ermöglicht es, die Grafiken mit der Geschichte des besetzten Warschaus, der jüdischen Bewohnern des Ghettos und der Opfern des Aufstands vom Frühjahr 1943 in Verbindung zu bringen.
„Die Protagonisten der Grafiken und Skizzen aus der Serie »Tańczący« sind verletzliche Personen, die an einer Art sozialem Theater teilnehmen und deren Status durch ihr auffälliges Kostüm oder ihre Nacktheit hervorgehoben wird. Es sind Menschen, die den Blicken von Schaulustigen ausgesetzt sind. Auf der metaphorischen Bühne gibt es also die »Anderen«, die Verletzlichen, und daneben diejenigen, die sie auf verschiedene Weise »in Bewegung setzen«, sowie diejenigen, die ihnen mehr oder weniger gleichgültig zusehen. Deshalb ist meine Lesart des Zyklus »Tańczący« eindeutig: Mieczysław Wejman dokumentiert die Situation der Juden in Warschau während der deutschen Besatzung”, erklärt Dr. Piotr Rypson, der Kurator der Ausstellung.
Während der Besatzung arbeitete Wejman körperlich als Lagerist in der Wodka- und Likörfabrik „Jamasch” unter deutscher Verwaltung, setzte seine künstlerischen Studien fort und stellte seine Werke auf Untergrundausstellungen aus. Kurz vor dem Ausbruch des Warschauer Aufstands zogen die Wejmans, die ihr zweites Kind erwarteten, nach Izabelin in der Nähe von Warschau, und nach dem Aufstand machten sie sich auf den Weg nach Krakau.
Nach 1945 wurde Wejman zu einem anerkannten Künstler sowie zu einem Organisator des Kunstlebens und der Kunstbildung. Er gehörte zur Gruppe der „9 Grafiker” und schuf zwischen 1964 und 1970 den wichtigsten Zyklus seiner Karriere, „Radfahrer”. Über 30 Jahre lang arbeitete er als Professor für Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste in Krakau und war auch Rektor dieser Hochschule. Er starb 1997 in Krakau.
Arkadiusz Słomczyński