Adam Czerniaków ist untrennbar mit dem Warschauer Ghetto verbunden. Sein tragischer Selbstmord angesichts des Holocausts war ein Ausdruck des Protests gegen die verbrecherische Politik der deutschen Besatzer im Generalgouvernement. Seine dynamische Vorkriegstätigkeit ist dagegen weniger bekannt.
Er wurde am 30. November 1880 in Warschau geboren. Er stammte aus einer mittelständische jüdischen Familie, die im Handel tätig war, unter anderem mit Butter. Die Familie Czerniaków wohnte in der Zimna-Straße, die an der Grenze zwischen zwei Welten lag — dem jüdischen Viertel und dem hauptsächlich von Polen bewohnten Teil Warschaus. Er absolvierte eine Ausbildung zum Chemieingenieur in Dresden, wo er die deutsche Sprache und Kultur kennenlernte. Ab 1913 beteiligte er sich an den Aktivitäten der jüdischen Handwerkerorganisationen und schrieb für die Fachzeitschrift „Handel un Meloche”. Einige Jahre später wurde er Vorsitzender des Zentralverbands der Handwerker.
Nachdem Polen seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, beteiligte er sich am Wiederaufbau des Landes. Er arbeitete im Ministerium für öffentliche Arbeiten als Leiter des Statistischen Büros in der Abteilung für Wiederaufbau. Gleichzeitig war er als Wissenschaftler tätig — 1919 erhielt er einen Preis in einem Wettbewerb für eine wissenschaftliche Dissertation für eine Studie mit dem Titel „Explosionsmotore”. In dieser Zeit interessierte er sich auch für die Situation der Sägeindustrie in Polen, dann für das Bäcker- und Konditorenhandwerk.
Im Jahr 1921 setzte er seine Erfahrungen aus dem Ministerium in einer anderen Tätigkeit ein, als er beim Amcerican Jewish Joint Distribution Committee (Joint) angestellt wurde. Dort befasste er sich mit ähnlichen Fragen wie im polnischen Ministerium. Als diese Institution ihre Tätigkeit in Polen einstellte, wechselte er zur mit ihr verbundenen Genossenschaftsbank.
Parallel dazu entwickelte und stärkte er die Selbstorganisation der jüdischen Handwerker. Im Jahr 1925 gelang es ihm, die zersplitterte Handwerkerbewegung in einer einzigen Organisation zu vereinen. Sie erhielt den Namen Zentralverband der jüdischen Handwerker in Polen (Centralny Związek Rzemieślników Żydów w Polsce, CZRŻ). Auf dem Vereinigungskongress wurde eine gemeinsame polnisch-jüdische Handwerkererklärung unterzeichnet, und später wurde dank der Initiative und Erfahrung von Czerniaków die Bank der zusammengeschlossenen Handwerker gegründet, um sich gegen die ungünstigen Bestimmungen des Gewerbegesetzes von 1927 zu wehren. Diese Tätigkeit stärkte die führende Rolle von Czerniaków in der jüdischen Handwerkergemeinschaft.
Trotz seiner Erfolge zog sich Czerniaków 1929 von der Führung des CZRŻ zurück. In dieser Zeit erwog er sogar, nach Genf umzuziehen, vielleicht beeinflusst durch seine erfolglose Investition in eine Fabrik zur Herstellung von Baretten. Schließlich verließ er Polen nicht, sondern konzentrierte sich auf seine Tätigkeit im Zentralkomitee für die Judenhilfe der Stadt Warschau, dessen Aufgabe es war, diejenigen zu unterstützen, die sich infolge der Wirtschaftskrise von 1929 in einer schwierigen finanziellen Lage befanden.
Czerniaków scheute auch nicht vor politischen Aktivitäten zurück, obwohl er auf diesem Gebiet nicht sonderlich erfolgreich war. Im Jahr 1928 trat er zur Parlamentswahl an, wurde jedoch nicht zum Abgeordneten gewählt. Im Mai 1930 gewann er zwar die Nachwahlen zum Senat, kam aber nicht ins Parlament, weil Präsident Ignacy Mościcki das Parlament auflöste, bevor Czerniaków vereidigt wurde. Neben seinen großen politischen Ambitionen kandidierte der künftige Vorsitzende des Judenrates für den Stadtrat der Stadt Warschau und für die Jüdische Gemeinde.
Ab den 1930er Jahren verdiente er seinen Lebensunterhalt durch Arbeit für die Polnische Gesellschaft für den Kompensationshandel („Zahan”), die den polnischen Export förderte. In dieser Zeit ereignete sich etwas, was das Schicksal von Czerniaków endgültig bestimmte. Im Jahr 1936 beschloss die Sanacja-Regierung, die Jüdische Gemeinde in Warschau vorübergehend unter Zwangsverwaltung zu stellen. Obwohl die jüdische Bevölkerung den Schritt der polnischen Behörden nur widerwillig aufnahm, stimmte Czerniaków zu, sich der Gruppe der Zwangsverwalter anzuschließen. Er befasste sich hauptsächlich mit Bildungsfragen in der Gemeinde.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, als das Land im Chaos versank und Maurycy Majzel, der Vorsitzende der Gemeinde, auf Anweisung der polnischen Behörden Warschau verließ, wurde Czerniaków ihr unangefochtener Leiter. Er blieb dies auch während der deutschen Besatzung.
Die Aktivitäten des von den Deutschen eingerichteten Warschauer Judenrates sind heute aus dem Tagebuch bekannt, das Czerniaków während seiner Zeit als Vorsitzender führte. Darin hielt er akribisch das Verhalten der Deutschen gegenüber den Juden fest und erörterte viele Fragen im Zusammenhang mit den Aktivitäten des von ihm vertretenen Amtes.
Als die deutschen Forderungen im Juli 1942 darauf hinausliefen, dass die Beamten des Judenrates an einer Vernichtungsaktion gegen die Juden teilnehmen sollten, die die deutschen Besatzer als „Deportation” bezeichneten, weigerte sich Czerniaków, einen entsprechenden Befehl zu unterzeichnen, obwohl er bis zum Schluss versuchte, mit den Deutschen zu verhandeln. Am späten Nachmittag des 23. Juli beging der Vorsitzende des Judenrates Selbstmord, indem er nach Beendigung seiner Arbeit Zyanid einnahm. Er hinterließ einen oder zwei Abschiedsbriefe. Der erste war an seine Frau Felicja gerichtet. Darin schrieb er: „Sie verlangen von mir, mit eigenen Händen die Kinder meines Volkes umzubringen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu sterben”.
Am folgenden Tag fand ein bescheidenes Begräbnis für Czerniaków statt. Seine Frau Felicja ließ einen Grabstein mit zwei Auszügen aus dem Gedicht „Was hast mit dem Athen gemacht, Sokrates?” von Cyprian Kamil Norwid gravieren. Das Gedicht thematisiert das Problem des Missverständnisses bedeutender Persönlichkeiten durch das einfache Volk. Die Sätze beziehen sich auf die Kritik an die Tätigkeit von Czerniaków im Judenrat.
Heute wissen wir, dass er sich während seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Judenrates unter den äußerst schwierigen Bedingungen der deutschen Besatzung sehr anständig verhalten hat. Es hat jedoch viele Jahre nach Kriegsende gedauert, bis Czerniaków zuverlässig beschrieben werden konnte.