Als Nation leisteten die Polen während des Zweiten Weltkriegs einen enormen Beitrag zum militärischen Kampf gegen die deutschen Besatzer. Es lohnt sich aber auch, an die politische Elite der Vorkriegszeit zu erinnern, die den zivilen Apparat des Untergrundstaates bildete. Einer ihrer Vertreter war Cyril Ratajski, der sich in der Zweiten Polnischen Republik als Stadtpräsident von Poznań große Verdienste um die Gesellschaft erwarb.
Er wurde am 3. März 1875 in Zalesie Wielkie in der Familie eines örtlichen Gastwirts geboren. Er engagierte sich in der nach Unabhängigkeit strebenden Untergrundbewegung und war Mitglied der Nationalen Liga (Liga Narodowa). Er absolvierte ein Jurastudium und engagierte sich in der Politik, u. a. zusammen mit Wojciech Korfanty. Als sozialer Aktivist war er im Turnverein „Sokół” tätig und förderte den Tourismus und die Landschaftskunde. Während des Großpolnischen Aufstandes war er Kurier zwischen den aufständischen Behörden und dem Ausland.
1922 wurde Ratajski Stadtpräsident von Poznań. Dieses Amt hatte er bis 1934 inne. Während seiner Amtszeit erweiterte er die Grenzen der Stadt und baute das öffentliche Verkehrsnetz aus. Außerdem beteiligte er sich an vielen anderen Aktivitäten, auch auf internationaler Ebene. Er erwarb sich den Respekt der Bürger.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kehrte Ratajski in das Amt des Stadtpräsidenten zurück und löste damit die vorherigen Behörden ab, die aus der bedrohten Stadt geflohen waren. Nach dem Einmarsch der Deutschen blieb er noch einige Tage im Amt, dann wurde er durch einen deutschen Beamten ersetzt. Ratajski leistete damals passiven Widerstand und weigerte sich, den Deutschen offiziell die Schlüssel der Stadt zu übergeben. Nach seiner Ausweisung ins Generalgouvernement nahm er den falschen Namen Celestyn Radwański an, den er bis zu seinem Tod benutzte.
Am 3. Dezember 1942 ernannte General Władysław Sikorski Ratajski zum Delegierten der polnischen Regierung im Generalgouvernement. Der ehemalige Stadtpräsident von Poznań schuf den gesamten zivilen Apparat des polnischen Untergrundstaates nach dem Vorbild des Vorkriegsstaates. Es wurden Abteilungen oder Äquivalente von Ministerien geschaffen. Die Untergrundverwaltung umfasste insgesamt 30 000 Personen, und die Abteilung für innere Angelegenheiten beispielsweise hatte Außenstellen in allen Woiwodschaften.
Ratajski blieb jedoch während der deutschen Besatzung nicht von Schwierigkeiten verschont. Gegen seine Wahl zum Delegierten wurde von einigen politischen Parteien protestiert. Außerdem war er der Meinung, dass die militärischen Behörden den zivilen Behörden untergeordnet werden müssten, was der Leitung der Heimatarmee (früher Verband für den bewaffneten Kampf) nicht gefiel. Gleichzeitig verschlechterte sich Ratajskis Gesundheitszustand, so dass er am 5. August 1942 zurücktrat. Kurz darauf, am 19. Oktober, starb er in Warschau.