Wenige Tage nach dem Ausbruch des Warschauer Aufstands (am 5. August 1944) eroberten Soldaten des Bataillons „Zośka” der Heimatarmee die „Gęsiówka“ — ein befestigtes Konzentrationslager-Gefängnis für Juden. Es wurde von den Deutschen im besetzten Warschau während des Zweiten Weltkriegs gegründet. Das Lager befand sich in der Gęsia-Straße, auf dem Gelände des Warschauer Ghettos, das 1943 aufgelöst wurde. Den Aufständischen gelang es, 348 Juden zu befreien, die aus vielen von den Deutschen eroberten Ländern stammten.
Die ehemalige Kaserne in der Gęsia-Straße im Warschauer Stadtteil Wola beherbergte seit Ende des 19. Jahrhunderts, während der Teilungen Polens, ein zaristisches Militärgefängnis. Während der deutschen Besatzung diente es als zentrales Gefängnis, doch in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 errichteten die Deutschen auf diesem Gelände das Konzentrationslager KL Warschau. Es war von Juli 1943 bis August 1944 in Betrieb. Es wird allgemein angenommen, dass das KL Warschau ein Teil der geplanten „Zerstörung der polnischen Stadt Warschau” im Rahmen des Pabst-Plans war. Es sah die Schaffung einer „neuen deutschen Stadt” auf den Ruinen der polnischen Hauptstadt vor. Der Beschluss zur Errichtung des Lagers wurde von Heinrich Himmler im Februar 1943 gefasst.
Historiker schätzen, dass 20.000 Häftlinge das Lager durchliefen, vor allem Juden, aber auch Polen waren darunter. „Gęsiowka” wurde schließlich zu einer Außenstelle des Konzentrationslagers Majdanek in der Region Lublin. Wilhelm Göcke wurde der erste Kommandant des KL Warschau, aber unter den Beschäftigten im Lagers waren nicht nur Deutsche.
Die ersten Häftlinge wurden in der 2. Julihälfte 1943 in das neu eingerichtete Lager geschickt. Es handelte sich um 300 Personen, die aus dem Konzentrationslager Buchenwald transportiert wurden; einige von ihnen waren kriminelle Häftlinge, die später als Lagerkapos dienten. Dann wurden mehrere Transporte mit Häftlingen aus Auschwitz in das Lager geschickt. In den meisten Fällen handelte es sich um Juden, die aus den vielen von Deutschland eroberten europäischen Ländern stammten. Ihre Auswahl war nicht zufällig; ihre Unkenntnis der polnischen Sprache sollte verhindern, dass sie mit der Warschauer Bevölkerung in Kontakt kommen. Die Häftlinge arbeiteten daran, die Überreste der ehemaligen Ghettogebäuden abzureißen und aus den Trümmern alle möglichen Materialien zu gewinnen, die von den Deutschen in irgendeiner Weise verwendet werden konnten. Einige Häftlinge wurden zur Verbrennung der Leichen von Polen eingesetzt, die bei Massenerschießungen in Warschau erschossen worden waren. Die meisten von ihnen waren zuvor im Pawiak-Gefängnis in der Nähe des KL Warschau inhaftiert gewesen. Auch Juden, die sich noch in den Ruinen des Ghettos versteckt hielten, wurden bei zahlreichen Hinrichtungen ermordet. Die Leichen von Häftlingen, die im Lager starben, wurden ebenfalls verbrannt. Wie sich ein überlebender Häftling, Dawid Mehl, nach dem Krieg erinnerte, „war die ganze Gegend von dem Geruch verbrannter Leichen und menschlicher Knochen durchdrungen”.
Das KL Warschau umfasste das Gebiet entlang der Gęsia-Straße zwischen den Straßen Zamenhofa, Wołyńska, Ostrowska, Gliniana und Okopowa. Ende Juli 1944 begannen die Deutschen mit der Evakuierung von „Gęsiówka” und organisierten den Abtransport von rund 4000 Häftlingen. Die meisten von ihnen wurden nach Dachau geschickt, etwa 400 blieben zurück, um bei der Liquidierung des Lagers zu helfen.
In Anbetracht der militärischen Ziele hätten die Warschauer Aufständischen „Gęsiowka” nicht angreifen müssen — sie hätten es umgehen können. Sie haben sich jedoch anders entschieden. Die Einnahme des Lagers war nicht einfach. Tadeusz Zuchowicz alias „Marek”, der in der Heimatarmee im Bataillon „Zośka” diente, erinnerte sich: „Es bestand aus einer Reihe von Holzbaracken, die grün gestrichen waren. Es war von einer hohen Betonmauer mit Wachtürmen mit Maschinengewehren umgeben. Ein schweres Eisentor war der einzige Zugang zum Lager”.
Es wurde beschlossen, während der Operation einen der beiden deutschen Panzerkampfwagen V Panther einzusetzen, die am 2. August von den Aufständischen erbeutet wurden und an den unabhängigen Panzerzug „Wacek” unter dem Kommando von Leutnant Wacław Micuta gingen. Drei Züge des Bataillons „Zośka” nahmen ebenfalls an dem Angriff auf das Lager teil: „Felek”, „Alek” und ein Zug der Kompanie „Giewont”. Ein von den Aufständischen „Magda” genannter Panzer spielte bei dem Angriff auf das Lager eine Schlüsselrolle.
Als der Panther am 5. August die Gęsia-Straße entlang in Richtung Lagertor fuhr, bemerkten die Wachen die Markierungen der Aufständischen nicht und hielten ihn für einen deutschen Entsatz, der ihnen zu Hilfe kam. Daraufhin überquerten die Aufständischen ungehindert die beiden Barrikaden, die die Stellungen der Aufständischen von den Ghettoruinen trennten, und fuhren direkt auf das Lagertor zu. Als die Wachen das Feuer mit Maschinengewehren eröffneten, wurde „Magda” von den Kugeln nicht verletzt.
So erinnerte sich Hauptmann Ryszard Białous alias „Jerzy”, Kommandeur des Bataillons „Zośka” der Heimatarmee, an den Moment der Befreiung von „Gęsiówka”: „Die Deutschen stürzen in ungeordneten Gruppen aus den Gebäuden und Türmen und fliehen in die Ruinen der Altstadt. Die Türen der Baracken platzten unter dem Ansturm auf, und der ganze Vordergrund war mit einer Masse von gestreiften Gestalten gefüllt, die mit unglaublichem Geschrei und Fuchteln auf uns zurannten. Einen Moment lang spürte ich, wie sich meine Kehle vor Freude zusammenzog, wir haben es noch rechtzeitig geschafft”.
Es wurden 348 Häftlinge aus dem Lager befreit, darunter 24 Frauen. Sie waren Juden, unter anderem aus Polen, Ungarn, Belgien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und Norwegen. Viele von ihnen schlossen sich den aufständischen Einheiten an. Sie halfen unter anderem bei der Truppenversorgung. Henryk Lederman, ein Infanteriekadett aus der Vorkriegszeit und Teilnehmer am Aufstand im Warschauer Ghetto, wurde Soldat im Panzerzug des Bataillons „Zośka”, und der Ingenieur Józef Filar war Mechaniker in diesem Zug. Der Sanitätsdienst im Bataillon hingegen wurde von dem Chirurgen Soltan Safijew „Doktor Turek”, einem ehemaligen Militärarzt der Roten Armee, geleistet. Henryk Poznański „Bystry”, der ebenfalls am Ghettoaufstand beteiligt war, wurde hingegen dem AK-Bataillon „Parasol” zugeteilt.
Nach dem Krieg wurde das deutsche Lager „Gęsiówka” zu einem von den Sowjets genutzten Ort. Diesmal gab es dort ein Lager — zunächst ein NKWD-Lager für u. a. deutsche Kriegsgefangene, aber auch für Soldaten der Heimatarmee und anderer Formationen des polnischen Unabhängigkeitsuntergrunds. Mitte 1945 wurde die Leitung des Lagers vom einheimischen Kommunistischen Sicherheitsbüro übernommen, ohne dass sich der Zweck des Lagers änderte. Das Lager wurde in das Zentralgefängnis Warschau II Gęsiówka für politische und kriminelle Häftlinge umgewandelt, wo nach Schätzungen von Historikern 1800 Menschen starben.
„Gęsiówka” wurde 1956 liquidiert, und die Überreste des Gebäudes wurden in den 1960er Jahren abgerissen.