Wer war einer der herausragendsten polnischen Maler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der einzige Vertreter seiner Generation, der den Begriff der Moderne in der Malerei nicht mit stimmungsvoller Naturbetrachtung, sondern mit einer nüchternen Analyse der Wirklichkeit verband?
Aleksander Gierymski wurde am 30. Januar 1850 geboren. Er begann seine Ausbildung zum Maler an der Zeichenschule Warschau. Anschließend studierte er zwischen 1868 und 1872 an der Münchner Akademie, wo er einen strengen Unterricht in der Akademischen Kunst und Neorenaissance erhielt und sich später selbst dem Realismus zuwandte.
In der Warschauer Künstler- und Kritikergemeinschaft wurde Gierymski durch die in Italien entstandenen Gemälde „Das Moraspiel” und „Römisches Gasthaus” bekannt. Seine anschließenden Aufenthalte in Warschau zwischen 1881 und 1884 sowie 1886 und 1889 und sein Engagement in den Literatur- und Malergruppen der positivistischen Wochenzeitung „Wędrowiec” brachten ihn an die Spitze der realistisch-naturalistischen Strömung in der polnischen Kunst. In der Blütezeit seiner Karriere schilderte er in zahlreichen Werken die Tore und Gassen der Warschauer Altstadt, das malerische Elend von Powiśle, die harte Arbeit der Sandgrubenarbeiter, die Geschäftigkeit der jüdischen Marktschreier und ihre traditionellen Rituale. In dieser Zeit entstanden Werke wie „Das Tor in der Altstadt”, „Die Jüdin mit den Orangen”, eines der berühmtesten Gemälde des Künstlers, das eine alte jüdische Frau und das Panorama der Stadt im Hintergrund zeigt, und „Powiśle“ (1883) sowie die Serie „Das Fest der Trompeten” (1884, 1887 – 1888, 1890). In letzterer präsentierte er ein Studium von Raum und Licht, in dem er die dunklen Silhouetten von Juden, die sich beim rituellen Gebet nicht bewegen, hervorhob.
Gleichzeitig stellte der Künstler das schwierige Leben im proletarischen Warschau der 1880er Jahre dar, indem er die Weichselufer und die in Holzhütten lebenden Arbeiter, Fischer, Sandgrubenarbeiter und Frauen zeigte. Ähnliche Versuche der Darstellung des Vergehens der Zeit finden sich in den Nachtstücken, die Gierymski zwischen 1889 und 1893 in München und Paris malte, vor allem in „Abend an der Seine”, das vom Impressionismus inspiriert sein sollte. Bereits während seiner früheren Aufenthalte in Rom, wo er an der „Römischen Siesta” (1875-1878) und vor allem an „Die Gartenlaube” (1872) arbeitete, wurde er auf die Problematik der Darstellung des Sonnenlichts aufmerksam.
Im Laufe seines dreißigjährigen Schaffens wechselte der Künstler häufig seinen Wohnort: von Warschau und Krakau nach Deutschland, Italien und Frankreich. Trotz seines enormen Werkes steht er im Schatten seines älteren Bruders Maksymilian, der für sein künstlerisches Schaffen mehr geschätzt wird als Aleksander.
Aleksander Gierymski starb zwischen dem 6. und 8. März 1901 in Rom.