Am 22. November 1827 wurde Karol Józef Teofil Estreicher, Literatur- und Theaterhistoriker, langjähriger Direktor der Jagiellonischen Bibliothek, der als „der hervorragendste Bibliograph der Welt” bezeichnet wurde, in Krakau geboren.
Er stammte aus einer österreichischen Familie mit dem Nachnamen Österreicher, die im 18. Jahrhundert nach Polen kam und polonisiert wurde. Karol absolvierte ein Gymnasium in Krakau und studierte anschließend Philologie und Jura an der Jagiellonen-Universität. Er arbeitete als Gerichtsreferendar und Notar in Krakau und Lemberg. Er begeisterte sich für Literatur und Theater. 1862 wurde ihm der Posten des stellvertretenden Direktors der Bibliothek der Warschauer Hauptschule angeboten. Er erwarb einen Doktortitel und leitete vier Jahre lang den Lehrstuhl für Bibliographie. Nach seiner Rückkehr nach Krakau im Jahr 1868 wurde er Direktor der Jagiellonischen Bibliothek und trug zur enormen Entwicklung der Bibliothek bei.
Während seiner 37-jährigen Amtszeit brachte er Ordnung in die Bibliothek, modernisierte sie, renovierte ihre Räumlichkeiten im Collegium Maius und trug dazu bei, dass die Sammlung um 180 Tausend Bände, Tausende von Zeichnungen, Karten und Handschriften erweitert wurde. Er führte auch neue Abteilungen ein, zum Beispiel für Musik, Plakate und Zeitschriften. Während seiner Tätigkeit in der Jagiellonischen Bibliothek begann er auch mit der Arbeit an seinem Lebenswerk — der „Polnischen Bibliographie”, einer fast vollständigen Bibliographie der in Polen und im Ausland erschienenen polnischen Drucke aus den Jahren 1470-1889. Er arbeitete allein und verwendete nur Papierkarten. Er sammelte Informationen und beschrieb 120 000 Einträge. Es gelang ihm, 22 Bände dieser monumentalen Publikation herauszugeben, die nach ihm von seinem Sohn Stanisław und seinem Enkel Karol (dem Jüngeren) weitergeführt wurde. Bis heute ist dieses Werk eine der wichtigsten Informationsquellen über das polnische Schrifttum der vergangenen Jahrhunderte.
Karol Estreicher war berühmt für sein breites Forschungsinteresse. Er analysierte die Werke von Aleksander Fredro, stellte ein Verzeichnis seiner Werke und Übersetzungen von Józef Ignacy Kraszewski zusammen, beschäftigte sich mit der Geschichte des polnischen Theaters, arbeitete an zahlreichen Zeitschriften mit und war Mitbegründer der Akademie der Gelehrsamkeit (Akademia Umiejętności). Er verfasste zahlreiche Biographien polnischer Dichter, Bibliographen und Buchhändler. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten schrieb er auch Gedichte. Er übersetzte auch etwa 30 französische, deutsche, italienische und spanische Komödien und Dramen. Er starb am 30. September 1908 in Krakau.