Sowohl Historiker als auch Kunsthistoriker sind sich einig, dass es heute schwierig wäre, ein anderes Land als Polen zu nennen, das so großen Teil seines kulturellen Erbes durch Kriege verloren hat. Die größten Verluste erlitt Polen während des schwedischen Überfalls 1655 und während des Zweiten Weltkriegs.
Obwohl es in der Geschichte des polnischen Staates bis zum 17. Jahrhundert zahlreiche Fälle von Kunstraub gab, erlebte Polen erst während des Nordischen Krieges (1655-1660), der in der polnischen Geschichte als Schwedische Sintflut bekannt ist, den massenhaften Raub der Bestände polnischer Bibliotheken und Archive.
Die meisten der berühmtesten Kunstwerken Polens befanden sich damals im Warschauer Königsschloss. Die Sammlungen wurden vor allem von den Königen Sigismund III. Wasa und Władysław IV. Wasa erweitert. Sie bereicherten die königlichen Sammlungen mit antiken Skulpturen, Gemälden, Stoffen, Teppichen, Waffen, alten Drucken und Manuskripten sowie mit verschiedenen Wertgegenständen. Die gesamte Sammlung wurde 1655 von der schwedischen Armee, die die polnischen Ländereien zusammen mit dem siebenbürgischen und brandenburgischen Heer vollständig ausplünderte, beschlagnahmt. König Karl Gustav und seine Unterstützer plünderten Polen in einem solchen Ausmaß, dass bis heute nur wenige Denkmäler aus der Barockzeit erhalten geblieben sind. Fachleute betonen nicht ohne Übertreibung, dass Polen in den zwei Jahren, in denen der Feind auf polnischem Boden stand, zu einer kulturellen Wüste wurde. Insgesamt wurden damals 7 Schiffe Kriegsbeute, überwiegend Kunstwerke, abtransportiert.
Von allen polnischen Städten und Kulturzentren erlitt Warschau die meisten Schaden. Die Plünderungen wurden durch den Hass auf Polen und polnische Bevölkerung geschürt — sogar die Rahmen, Holz- und Steinböden des Königsschlosses wurden auf der Suche nach Schätzen herausgerissen. Die Entschlossenheit der Schweden war so groß, dass auch alle 32 Marmorsäulen des Schlosses mit dem Schiff nach Schweden gebracht wurden. Spuren der Anwesenheit feindlicher Truppen im Schloss waren der Pferdemist, der überall gefunden wurde….
Ein ähnliches Schicksal ereilte Krakau. Die Krakauer Kathedrale wurde bis zu 7 Mal geplündert. Der barbarischste Akt wurde vom Gouverneur von Krakau, General Paweł Wirtz, begangen, der mit seinen eigenen Händen die Silberplatten vom äußeren Sarg des Heiligen Stanislaus abriss. Auch die Gräber der Könige wurden geöffnet und Wertgegenstände geraubt. Allerdings gelang es den Plünderern nicht, den Inhalt der königlichen Schatzkammer zu finden, der im Voraus abtransportiert und in Schlesien versteckt worden war. Auch die Wandteppiche des Wawels blieben erhalten.
Die Kriegsbeute wurde zur Grundlage der damals in Uppsala gegründeten Universitätsbibliothek. Heute wissen wir, dass die Bücher vor allem aus der Bibliothek von Jan Kazimierz in Warschau, aus den Büchersammlungen der Jesuitenkollegs u. a. in Posen und aus den Bibliotheken der ermländischen Bischöfe stammten. Ein bedeutender Teil dieses polnischen Bestands blieb in Uppsala und kehrte nie nach Polen zurück.
Eine weitere große Welle von Plünderungen polnischer Kulturgüter kam mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Polen. Die Deutschen unterschieden sich von allen anderen Kriegsplünderern dadurch, dass sie dem Raub des kulturellen Erbes Polens den Anschein von Legalität unter dem Besatzungsrecht verschafften. Bereits am 16. Dezember 1939 erschien im Generalgouvernement ein Erlass über die allgemeine Beschlagnahmung von Kunstgegenständen auf seinem Gebiet. Nach dem Besatzungsrecht war der Besitz von „Kulturgütern”, darunter sogar familiäre und historische Erinnerungsstücke aus der Zeit vor 1850, verboten.
Die systematische und massenhafte Suche nach den wertvollsten Denkmälern, um sie zu plündern, hatte sehr tragische Folgen, da die Deutschen diese Aktionen sehr systematisch durchführten und sogar die entsprechenden Quittungen ausstellten. Ein solches Dokument wurde zum Beispiel der Familie Czartoryski, aber auch den Direktoren einiger Museen ausgestellt. Alle Kunstgegenstände wurden vorübergehend in der Jagiellonen-Bibliothek aufbewahrt.
Nachdem sie in das Bibliotheksgebäude gebracht worden waren, wurde ein Inventar der Beute erstellt, wobei über 500 der wertvollsten Stücke ausgewählt wurden, darunter 88 aus der Czartoryski-Sammlung. Das wertvollste war das Gemälde „Porträt eines jungen Mannes” von Raphael Santi. Alle Werke wurden beschrieben und fotografiert. Diese Aktion gipfelte in einem Dokument mit dem Titel „Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement”. Es ist bemerkenswert, dass in keinem anderen besetzten Land ein derartiges Verzeichnis der beschlagnahmten Güter erstellt wurde. Er wurde 1940 sogar im Druck veröffentlicht, wenn auch in einer kleinen Auflage, aber es ist dennoch bemerkenswert, dass er ein hohes redaktionelles Niveau aufwies, was bedeutet, dass die deutschen Sammler, an die er sich richtete, sich keineswegs der Tatsache schämten, dass die Kunstwerke aus Kriegsraub stammten. Der Katalog wurde von elegant gebundenen Mappen begleitet, die 478 Fotografien enthielten.
Der wichtigste Verantwortliche für die deutschen Plünderungen im besetzten Polen war Kajetan Mühlmann (1898-1958), ein österreichischer Kunsthistoriker, Leiter der Hauptabteilung Unterricht und Wissenschaft im Generalgouvernements. Er gehörte zu einer informellen Gruppe, die als „Dienststelle Mühlmann” bekannt war und sich mit dem Handel mit den in Österreich, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Polen geraubten Kunstwerken, darunter auch solche, die Juden gehörten, beschäftigte. Nach dem Krieg entging er der Verantwortung — er lebte als Kunsthändler. Von amerikanischen Journalisten wurde er als „einer der größten Kunsträuber in der Geschichte der menschlichen Zivilisation” bezeichnet, aber auch als „der unnachgiebigste Nazi in der Gruppe der Plünderer, die im Sommer 1945 zur Zielscheibe amerikanischer Ermittlungen wurden”.
Parallel zu den deutschen Plünderungen wurden während des Zweiten Weltkriegs auch von den Russen ähnliche Aktionen durchgeführt.