Paderewski nutzte sein großes musikalisches Talent und seinen Ruhm in der Welt, um sich für unabhängiges Polen einzusetzen. Er war ein großer Patriot, der sich der Idee der Unabhängigkeit Polens verschrieben hatte.
Eine schwierige Jugend
Ignacy Jan Paderewski wurde am 6. November 1860 in dem Dorf Kuryłówka in Podolien (heute Ukraine) geboren. Seine Kindheit war von Traurigkeit geprägt, da er nur wenige Monate nach seiner Geburt seine Mutter verlor. Er wurde von seinem Vater Jan, einem Teilnehmer am Januaraufstand und Verwalter eines Grundstücks in Podolien, erzogen. Nach dessen Tod wurde er in die Obhut seiner Tante gegeben.
Trotz einer schwierigen Kindheit zeigte der junge Ignacy ein außergewöhnliches musikalisches Talent. Eine große Rolle bei Paderewskis Erziehung spielte Michał Babiński, ein ehemaliger Teilnehmer am Novemberaufstand, der ihn in die Welt des Wissens, der Kultur und der Literatur einführte.
Im Alter von 12 Jahren begann Ignacy Paderewski seine Ausbildung am Warschauer Institut für Musik, dem späteren Warschauer Konservatorium. Nachdem er seine Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, nahm Paderewski eine Stelle als Klavierlehrer an.
1880, im Alter von 20 Jahren, heiratete er Antonina Korsakówna. Ihre Ehe dauerte leider nicht lange — ein Jahr später starb Antonina und ließ Ignacy mit seinem Sohn Alfred zurück, der schwere gesundheitliche Probleme hatte. Dieser schmerzliche Verlust war einer der Gründe, warum Paderewski beschloss, nach Berlin zu gehen, um sich dort musikalisch weiterzubilden.
Auf der ganzen Welt geschätzt
Nachdem er Ende des 19. Jahrhunderts nach Berlin gezogen war, bildete sich Paderewski in Wien bei dem renommierten Lehrer Theodor Leschetizky weiter. Sein erstes Konzert in Wien im Jahr 1887 wurde von Zuhörern und Musikkritikern gleichermaßen begeistert aufgenommen. Es dauerte nicht lange, bis er auf den Bühnen der großen europäischen Städte auftrat.
Der eigentliche Wendepunkt in seiner Karriere kam jedoch während einer Tournee durch die USA im Jahr 1891. Die Amerikaner waren von seinem Talent verzaubert. Seine Konzerte zogen Tausende von Zuschauern an, und die Rezensionen waren voll des Lobes. Zusätzlich zu seinen Live-Auftritten schuf Paderewski auch eigene Kompositionen. Sein am meisten geschätztes Werk war die Oper „Manru”. Er schrieb auch andere Werke wie Sonaten, kurze Klavierkompositionen und Lieder.
Er hat über Polen nie vergessen
1908 entwarf der Künstler Antoni Wiwulski auf Wunsch Paderewskis ein Denkmal zum Gedenken an die Schlacht bei Tannenberg (poln. Grunwald). Die feierliche Enthüllung des Denkmals in Krakau, an der 150 000 Menschen teilnahmen, wurde zum Ausdruck des polnischen Patriotismus. Paderewski nutzte die Gelegenheit, um eine Rede mit der Botschaft über die Unabhängigkeit Polens zu halten. Zu dieser Zeit gab es nämlich Polen auf der politischen Landkarte Europas nicht. Im 18. Jahrhundert hatten drei Mächte: Russland, Preußen und Österreich polnische Territorien unter sich aufgeteilt.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, blieb Paderewski nicht untätig. Er nutzte sein internationales Ansehen und beteiligte sich an den Bemühungen um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit von Polen. In den Vereinigten Staaten, wo er großes Ansehen genoss, organisierte er Wohltätigkeitskonzerte zugunsten der Opfer des Krieges. Zusammen mit Henryk Sienkiewicz gründete er 1915 in der Schweiz ein Komitee zur Unterstützung der vom Krieg betroffenen Menschen in Polen.
Seine Tätigkeit in den USA beschränkte sich nicht nur auf Auftritte. Er knüpfte Kontakte zu einem engen Vertrauten des US-Präsidenten Woodrow Wilson, Edward House. Anfang 1917 überreichte er Wilson ein Dokument über die Zukunft Polens, in dem er die Vision eines souveränen Staates skizzierte. Seine Bemühungen trugen dazu bei, dass die polnische Frage in das berühmten 14-Punkte-Programm von Wilson aufgenommen wurde.
Nachdem Polen 1918 seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, zögerte Paderewski nicht, sich aktiv am politischen Leben des Landes zu beteiligen. Im Dezember desselben Jahres traf er in Poznań ein, wo er von der Bevölkerung mit Begeisterung empfangen wurde. Seine Ankunft war von großer Bedeutung für den Ausbruch des Großpolnischen Aufstands, der zur Eingliederung Großpolens in das wiedergeborene Polen beitrug.
Paderewskis Zusammenarbeit mit Roman Dmowski, dem Vorsitzenden des Polnischen Nationalkomitees (Komitet Narodowy Polski), war ein wichtiger Teil seiner diplomatischen Aktivitäten. Gemeinsam vertraten sie Polen bei den Pariser Friedensgesprächen 1919, bei denen die Einzelheiten des Versailler Vertrags zur Beendigung des Ersten Weltkriegs erörtert wurden.
Nach seiner Rückkehr in sein unabhängiges Heimatland übernahm Paderewski das Amt des Ministerpräsidenten und Außenministers. Seine Amtszeit war kurz, aber für den jungen Staat von großer Bedeutung. Im Dezember 1919 trat er von seinem Amt zurück, ohne jedoch seine öffentliche Tätigkeit aufzugeben. Im Jahr 1920, während des Polnisch-Sowjetischen Krieges, vertrat er Polen im Völkerbund.
Musik und Politik
1922 beschloss Ignacy Jan Paderewski, in die USA zurückzukehren, seine Leidenschaft für die Musik fortzusetzen und sie mit wohltätigen Aktivitäten zu verbinden. Als er 1932 vor einem vollen Madison Square Garden auftrat, beschloss er, den gesamten Erlös des Konzerts zur Unterstützung finanziell benachteiligter Musiker zu spenden. In Anerkennung seines Beitrags zur Kultur wurde er von König Georg V. von Großbritannien in den Ritterorden aufgenommen.
Nach dem Tod von Marschall Józef Piłsudski (1935), der Polen nach dem Maiputsch seit 1926 regiert hatte, wurde Paderewski zu einer wichtigen Figur in polnischen Emigrantenkreisen. Er war einer der Gründer der Front Morges, einer Gruppe, die in Opposition zur Sanacja (Piłsudskis Anhänger) stand und die Demokratisierung Polens anstrebte. Zu ihren Zielen gehörte die Unterstützung Paderewskis als Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hörte er nicht auf, sich für sein Heimatland einzusetzen. Er wurde Vorsitzender des Nationalrats der Polnischen Republik in London. Trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustands besuchte er 1940 die USA, wo er half, Mittel zur Unterstützung der polnischen Streitkräfte zu beschaffen. Seine Tätigkeit war so bedeutend, dass er auf die Liste der Feinde des Dritten Reiches gesetzt wurde.
Leider verschlechterte sich Paderewskis Gesundheitszustand immer mehr. Er verstarb am 29. Juni 1941 im Buckingham Hotel in New York.