Viele Lieder, die in der Zweiten Polnischen Republik geschrieben und komponiert wurden, sind auch heute noch beliebt. Sie werden häufig von verschiedenen zeitgenössischen Künstlern aufgeführt und neu interpretiert. Zu den Künstlern der Zwischenkriegszeit, die als herausragende Songschreiber und Komponisten populärer Musik in das Gedächtnis der Polen eingegangen sind, gehören: Jerzy Petersburski, Henryk Wars, Władysław Szlengel und Zygmunt Białostocki. Alle von ihnen waren jüdischer Herkunft.
Petersburski ist der Autor des unsterblichen Hits „To ostatnia niedziela” (dt. Der letzte Sonntag), aber auch „Tango Milonga”, eines weltweit bekannten Hits unter dem Titel „Donna Clara”, und eines weiteren von ihm komponierten Liedes „Nie ja, nie ty” (dt. Nicht ich, nicht du), das unter dem Titel „Amour disait follie” von Edith Piaf gesungen wurde. Wars wiederum schrieb die Musik für so schöne Lieder wie „Miłość ci wszystko wybaczy” (dt. Liebe wird dir alles verzeihen) oder „Już taki jestem zimny drań” (dt. Ich bin so ein eiskalter Schuft). Er schrieb auch Lieder für viele polnische Stars der Zwischenkriegszeit, wie Hanka Ordonówna, Eugeniusz Bodo, Adolf Dymsza oder Zula Pogorzelska. Er komponierte auch Musik für Filme. Außerdem war er ein Vorreiter des Jazz in Polen, obwohl er seine erste Big Band in den düsteren Sowjetzeiten in Lemberg (1940) gründen musste.
Unvergesslich sind auch die Texte von Szlengel, der vom kulturellen Kolorit Warschaus fasziniert war. Er beschloss, seine Songs zur städtischen Folklore zu stilisieren und ihnen den schelmischen (auf Polnisch „andrusowski”) Stil zu verleihen. Auf diese Weise entstanden die Songs: „Panna Andzia ma wychodne” (dt. Fräulein Andzia geht aus), „Jadziem, panie Zielonka” (dt. Los geht’s, Herr Zielonka), „Dziewczyna z Podwala” (dt. Das Mädchen aus Podwale).
Obwohl es sich um Pastiches handelte, erwiesen sie sich als so überzeugend, dass sie tatsächlich Teil der Folklore der Hauptstadt wurden, mit der sich Generationen von Einwohnern Warschaus identifizierten. In diesen Liedern wurden Bilder von Personen aus der Unterschicht, von der Straße oder aus der Unterwelt aufgenommen.
Alle ober erwähnten Künstler nahmen ihre Lieder bei Syrena-Record auf — der ersten polnischen und der vierten weltweiten Plattenfirma. Sie wurde 1904 von Juliusz Feigenbaum gegründet. Im Jahr 1929 änderte das Unternehmen seinen Namen in Syrena-Elektro, als die Ära der elektronischen Aufzeichnung begann. In den 35 Jahren seiner Vorherrschaft auf dem Markt hat das Unternehmen nicht weniger als 14 Tausend Titel veröffentlicht.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrach die vielversprechenden Karrieren von Komponisten und Songschreibern. Petersburski und Wars fanden sich in der Sowjetunion in der Anders-Armee wieder, wobei ersterer 1967 nach Polen zurückkehrte und letzterer im Exil in den USA blieb. Szlengel und Białostocki hingegen starben im Warschauer Ghetto.