In der Gesellschaft herrscht die Auffassung, dass die berufliche Bildung der akademischen Bildung unterlegen ist. Was kann getan werden, um dies zu ändern?
Das Bildungssystem ist unter dem Gesichtspunkt der Humanressourcen, die die Stärke der Wirtschaft darstellen, von entscheidender Bedeutung. In Polen kam es in den 1990er Jahren zum Schließen der Berufsgrundschulen (poln. zasadnicza szkoła zawodowa).
Der Zusammenbruch der Volksrepublik Polen bedeutete eine Abwertung des Status des Arbeiters und der populären „Berufsschulen”, die ihn ausbildeten. Statt mit dem Erlernen des Berufs wurden die Berufsschulen mit „Verbannung” assoziiert, mit einem Ort, an dem die weniger Begabten gehalten wurden. Die Berufsgrundschulen wurden durch private Hochschulen ersetzt.
Die privaten Hochschuleinrichtungen, die sich in allen Landkreisen vervielfachten, wurden zu einer Geschäftsquelle für ihre Gründer und für Hochschullehrer von öffentlichen Universitäten, die dort zusätzliches Geld verdienten. Sie sollten eine Eintrittskarte für eine Karriere sein, sind aber zu einer Fabrik für Diplome von geringem Wert geworden.
Qualifizierte Arbeitskräfte sind selten geworden, denn die Zahl derer, die nicht ausgewandert sind, ist so gering, dass das Angebot die Nachfrage nicht decken kann.
Im Jahr 1999 wurde eine große Bildungsreform durchgeführt, die auch die berufliche Bildung umfasste. Jugendliche, die direkt nach dem Gymnasium einen Beruf erlernen wollten, hatten die Wahl zwischen zweijährigen Berufsschulen, dreijährigen berufsbildenden Lyzeen oder vierjährigen Fachschulen. Im Jahr 2011 wurde das Modell der beruflichen Bildung im Sekundarbereich grundlegend geändert.
Der Bericht der ManpowerGroup „Talentknappheit” zeigt, dass im Jahr 2021 bis zu 81% der polnischen Unternehmen keine neuen Mitarbeiter mit geeigneten Qualifikationen finden konnten. Der Personalmangel wurde durch die technologische Revolution, die sich mit der Pandemie beschleunigte, noch verschärft.
In Polen und auch in den angelsächsischen Ländern herrscht die Fehlvorstellung vor, dass die Berufsausbildung nur auf körperliche Arbeit vorbereitet und nicht auf Stellen, die hohe Qualifikationen erfordern. Wir sollten von den Deutschen lernen, die die Vorteile von Hochschul- und Berufsausbildung geschickt miteinander verbinden. Seit Jahren führen sie in Zusammenarbeit mit Unternehmern eine auf den regionalen Markt zugeschnittene Berufsausbildung durch.
Bemerkenswerterweise kursiert in Fachkreisen die Meinung, dass sich der Streit um die Überlegenheit der Hochschulbildung gegenüber der beruflichen Bildung in einer von Robotik, Big-Data-Analytik und künstlicher Intelligenz beherrschten Welt als sinnlos herausstellen könnte. Das Lernen wird sich demokratisieren, kürzer, zeitlich und inhaltlich gezielter sein und hauptsächlich am Bildschirm stattfinden.
Grażyna Śleszyńska, analysiert makroökonomische und politische Phänomene. Sie war Mitbegründerin des Wirtschaftsforums in Krynica i. A.